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Egoismus im Jura-Studium: eine runde Sache

Ich glaube fest daran, dass wir Menschen (oder zumindest die meisten von uns 😀) eine hohe intrinsische Motivation haben, immer und überall das Richtige zu tun. Bedauerlicherweise gelingt uns das nicht so oft, wie wir es uns wünschen würden. Aber was, wenn es eine ganz simple Möglichkeit gäbe, uns dieses Vorhaben schlagartig zu erleichtern?

Heute möchte ich dir eine absolut kontraintuitive Technik vorstellen, die dir dabei helfen wird, a) deine aktuelle Vorgehensweise im Jura-Studium oder Referendariat zu bewerten, b) mögliche alternative Handlungsoptionen abzuwägen und c) zukunftsorientierte Pläne zu schmieden. Dies geschieht – vereinfacht gesprochen – dadurch, dass du deine eigenen Interessen priorisierst und zu deinem eigenen Besten handelst.

Ich wage einmal die Behauptung, dass wir gut daran tun würden, immer zu unserem eigenen Besten zu handeln. Das ist für die meisten Menschen ein schwer greifbares Konzept. Im Kindesalter wird uns schließlich eingeimpft, unsere eigenen Interessen zurückzustellen und nicht egoistisch zu sein.

Tatsächlich ist Egoismus in seiner reinsten Form das genaue Gegenteil von Handeln zum eigenen Besten, da ich kaum glaube, dass es in irgendjemandes Interesse sein kann, andere vor den Kopf zu stoßen.

Lass uns ein wenig in der Zeit zurückreisen. Schauen wir uns an, wie ich 2014, als ich meine Examensvorbereitung ganze sechs Monate prokrastiniert habe, gehandelt hätte, wenn ich konsequent meinen Eigeninteressen gefolgt wäre. Ich formuliere bewusst so, als befände ich mich wieder in diesem Moment und antworte auf die Frage: »Wenn ich konsequent zu meinem eigenen Besten handeln würde, was würde ich anders machen?«

  • Ich würde endlich den Arsch hochbekommen und wieder mit dem Lernen beginnen.
  • Ich würde in mich gehen und die Frage beantworten, warum es so weit gekommen ist (um sicherzugehen, dass es nicht noch mal passiert).
  • Ich würde einen definitiven Schreibtermin festlegen und von da aus rückwärts planen.
  • Ich würde mir eine Lerngruppe suchen (oder eine gründen!), um mehr Verbindlichkeit zu schaffen.
  • Ich würde Kontakt zu Leuten aufnehmen, die das Examen erfolgreich hinter sich gebracht haben, und sie bitten, ihre Strategien mit mir zu teilen.
  • Ich würde aufhören, so spät ins Bett zu gehen, und morgens wieder einen Wecker stellen.
  • Ich würde ernsthaft darüber nachdenken, warum ich mir den Scheiß überhaupt antue.

Diese Liste ist eher illustrativ als vollständig. Wir können dieses Konzept des informierten Handelns zum eigenen Besten als Werkzeug dafür verwenden, mögliche Handlungsoptionen zu bewerten und zukunftsorientierte Pläne zu schmieden. Vielleicht noch wichtiger hervorzuheben ist, dass wir es als Werkzeug dafür verwenden können, unsere aktuelle Vorgehensweise zu bewerten.

Wenn wir die oben genannten Verhaltensweisen ihren Gegensätzen gegenüberstellen, wird deutlich, wie häufig es vorkommt, dass Studierende und Referendar*innen nicht zu ihrem eigenen Besten handeln. Ich formuliere erneut so, als befände ich mich im Jahr 2014.

  • Ich würde weiter abhängen und das Lernen so lange aufschieben, bis ich wieder Lust darauf habe (also nie).
  • Ich würde meinen aktuellen Umgang mit meiner Examensvorbereitung nicht weiter hinterfragen und so Gefahr laufen, mein Selbstbild zu verlieren.
  • Ich würde womöglich Jahre verstreichen lassen, minimalen Fortschritt machen und mich anmelden, wenn ich mich bereit fühle (was auch immer das bedeuten soll).
  • Ich würde es – wie so oft in meinem Leben – auf eigene Faust versuchen; so bekommt es auch keiner mit, wenn ich wieder in meinen Hängermodus verfalle.
  • Ich würde mir einreden, keine Hilfe zu benötigen; das ist was für Schwachmaten.
  • Ich würde weiterhin Katz und Maus mit meinem Schlaf-Wach-Rhythmus spielen und mich jeden Tag mental müde und emotional leer fühlen.
  • Ich würde keinen Gedanken daran verschwenden, mir darüber im Klaren zu werden, wie meine Zukunft aussieht; ich würde Jura als gegeben annehmen und gar nicht auf die Idee kommen, nach Alternativen Ausschau zu halten.

Wir sehen also, dass wir weit davon entfernt sind, – im abwertenden Sinne des Wortes – „egoistisch“ zu sein, wenn wir unsere eigenen Interessen in den Vordergrund stellen. Ich für meinen Teil jedenfalls finde den gerade beschriebenen Michael absolut zum Kotzen.

Ein Handeln zum eigenen Besten führt vielmehr zu einem äußerst wünschenswerten Verhalten, sowohl aus unserer Sicht als auch aus der Sicht unserer Mitmenschen.

Ich möchte noch einmal betonen, dass das, was wir als typisch egoistisches Verhalten betrachten – wie etwa Bücher in der Bibliothek zu verstecken oder unseren Kommilitonen in einer mündlichen Prüfung bloßzustellen –, kaum jemals im eigenen Interesse sein kann.

Andererseits haben Theolog*innen oft darauf hingewiesen, dass die biblische Aufforderung „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ lautet und nicht „Liebe deinen Nächsten mehr als dich selbst“ oder „Liebe deinen Nächsten statt dich selbst“.

Aufgabe: Stell dir die Frage: „Wenn ich im Rahmen meines Jura-Studiums oder Referendariats konsequent zu meinem eigenen Besten handeln würde, was würde ich anders machen?“ Liste so viele Dinge wie möglich auf, große wie kleine.

Greif wenigstens eine Sache heraus, die du noch heute anpacken willst.

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