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JNG #226: Von der Kunst immer etwas schreiben zu können

Lesezeit: 3 Minuten

Willkommen zu Ausgabe #226 des Newsletters!

Wenn du dir vorab einen Überblick über die Inhalte dieser Ausgabe verschaffen möchtest, lies am besten als Erstes die folgende Zusammenfassung.

TL;DR:

  • Argumentation kann ohne vertieftes Wissen erfolgen.
  • Argumentation kann direkt beim Gesetz beginnen.
  • Argumentation kann auch bedeuten, vom Einfachen aufs Komplizierte zu schließen.
  • Argumentation kann sich in der Erläuterung eines Prinzips erschöpfen.


***


Du willst endlich lernen, richtig zu argumentieren? Und sowieso hab’ ich ja schon tausendmal gesagt, dass das der einfachste Weg sei, bessere Klausuren zu schreiben. Jede*r hat schon mal ein hartes »abwegig« oder wahlweise »so nicht vertretbar« in den Randbemerkungen kassiert. Womöglich hast du daraus den Schluss gezogen, es beim nächsten Mal lieber gleich bleibenzulassen und dich auf die Argumente zu beschränken, die du auswendig kannst.

Das kann es nicht sein.

Natürlich kannst du nicht einfach drauflos argumentieren; Argumentation folgt Regeln, an die du dich halten musst. Das setzt voraus, dass du zu den wichtigsten Normen wenigstens die gesetzlichen Grundstrukturen kennst, denn so gut wie jede*r weiß: Auf Lücke zu lernen, ist scheiße. Jedenfalls, was die gesetzlichen Grundstrukturen angeht. 

Aus den gesetzlichen Grundstrukturen ergeben sich Prinzipien, allgemeingültige Regeln, Dogmen, Postulate oder wie auch immer du sie nennen möchtest. Diese bilden die äußeren Grenzen deiner Argumentation. 

Eine sinnvolle Technik, sich diese anzueignen, kann es etwa sein, in einem passenden Kommentar die Rubrik »Vor §« zu lesen. Dort findest du in der Regel 99 % von dem, was du wissen musst. 

Einzelwissen hingegen ist nutzlos, wenn du ernsthaft lernen möchtest, frei und eigenständig zu argumentieren – liegt auf der Hand, oder? Einzelwissen ist dann vielmehr Ballast, weil man ständig versucht, sich an etwas zu klammern, was man »schon mal gehört« hat.

Im Folgenden beispielhaft einige Prinzipien des Zivilrechts, damit du weißt, wovon ich rede:

  1. Ausgleich strukturellen Ungleichgewichts (Verbraucher, Minderjährige …)
  2. Treu und Glauben (insbesondere dolo agit)
  3. Trennungs- und Abstraktionsprinzip
  4. Relativität der Schuldverhältnisse
  5. Schutz des guten Glaubens
  6. Veranlassungsprinzip
  7. Verschuldensprinzip
  8. Privatautonomie
  9. Risikoverteilung


Die einzelnen Punkte können übrigens nicht nur die äußeren Grenzen deiner Argumentation, sondern auch deren Ausgangspunkt sein. So können Verbraucher nichtige Fernabsatzverträge anfechten oder Willenserklärungen auch dann zugehen, wenn der Erklärungsgegner sie nicht richtig verstanden hat. Um diese Lösungen zu erreichen, bedarf es z. B. des Rückgriffs auf das erste und das letzte Prinzip aus unserer Liste – die übrigens keinesfalls abschließend ist. Duh!

Womit allerdings noch immer nicht die Frage beantwortet wäre, wie man denn den Einstieg ins Argumentieren findet. Mein Vorschlag lautet: Beginne beim Gesetz. Schlag ruhig mal § 604 BGB auf und schau in Absatz 4:

Überlässt der Entleiher den Gebrauch der Sache einem Dritten, so kann der Verleiher sie nach der Beendigung der Leihe auch von dem Dritten zurückfordern.

Stell dir folgenden Fall 1 vor: A hat ein Buch; das leiht er dem B für eine Woche aus. B veräußert es an den gutgläubigen C. Kann A das Buch wegen § 604 Abs. 4 BGB nach zwei Wochen von C herausverlangen?

Nun bildest du einen kurzen, ganz simplen Sachverhalt zu § 604 Abs. 4 BGB. Führe dir dafür vor Augen, dass der Gesetzgebende primär in zwei Fällen tätig wird: 

a) Etwas ist passiert und es gibt keine Vorschrift, die dazu passt
b) Es steht zu befürchten, dass Fall a) eintritt

Der Gesetzgebende denkt also nicht an irgendwelche obskuren Konstellationen, die in der Realität nicht vorkommen; er denkt an einen tatsächlich einfachen Fall. Diesen wollen wir bilden.

Fall 2: A hat ein Buch; das leiht er dem B. B leiht es dem C. Der Rest ist identisch.

Fall 1 und Fall 2 unterscheiden sich in einem wichtigen Detail. Nachdem du dieses ausgemacht hast, musst du nur noch das entsprechende Tatbestandsmerkmal bestimmen. Das ist hier Gebrauchsüberlassung. Dieses legen wir aus und gewinnen dabei zwei Erkenntnisse:

- Wer einem anderen ein Buch verkauft, überlässt diesem zwar streng genommen den Gebrauch daran, aber irgendwie passt »überlassen« nicht. »Überlassen« klingt nicht nach »für immer«, sondern nach »auf Zeit«. Das haben alle Überlassungsverträge gemeinsam (Miete, Leihe, Pacht); auch das ist also eine Regel des Zivilrechts.
- Würde man eine Eigentumsübertragung als Gebrauchsüberlassung ansehen, liefe man Gefahr, den Schutz des guten Glaubens zu unterlaufen (sog. Folgenbetrachtung). Schließlich würde C zwar Eigentümer des Buches, müsste es aber dennoch nach § 604 Abs. 4 BGB herausgeben. Das würde gegen den Grundsatz dolo agit verstoßen.

Hast du gemerkt, wie ich bei meiner Argumentation mehrere der Prinzipien verwebe, die ich oben aufgezählt habe? Selbst wenn du nur diese sicher beherrschst, hast du immer eine Möglichkeit, zu argumentieren – obwohl du dich nie zuvor mit dem Problem befasst hast, das es zu lösen gilt. Stichwort eigenständig.

Wir sprechen uns nächste Woche wieder.

 


 

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