Willkommen zur 197. Ausgabe des Newsletters!
Der Ausbruch der Coronapandemie hat dazu geführt, dass Hunderte von Kandidat*innen, deren Freiversuch längst hätte stattfinden sollen, mehrere Freisemester angerechnet bekamen. Das versetzte sie in die Lage, insgesamt mehr Zeit zu haben, sich auf den Freiversuch vorzubereiten.
Das wirft die Frage auf: Werden damit diejenigen, die keine Corona-Freisemester hatten, nicht erheblich benachteiligt? Wäre es da nicht nur fair, die Klausuren sowohl umfangreicher als auch schwieriger zu machen – einfach, um einen Ausgleich zu schaffen?
Ich habe mich kürzlich dieser Frage angenommen und mir exemplarisch den Examensdurchgang Februar/ März 2021 in NRW ganz genau angesehen. Sind die Examensklausuren tatsächlich umfangreicher und schwieriger geworden?
Let’s find out …
TL;DR: Wenn dir meine Analyse zu anstrengend aussieht (rate mal, wie anstrengend es war, sie durchzuführen), kannst du alternativ ans Ende scrollen (V.), um herauszufinden, welche Schlüsse ich gezogen habe. Unter IV. findest du zudem einen Schnitt der Eckdaten aller Klausuren (Anzahl der Seiten Sachverhalt, Anzahl der Fälle, Anzahl der Fallfragen und Anzahl der Rechtsprobleme pro Klausur), sollte dich das interessieren.
I. ZIVILRECHT
1. ZIVILRECHT I
Beginnen wir mit der Klausur Zivilrecht I.
Die Eckdaten:
Die drei Rechtsprobleme, vor die die Kandidat*innen gestellt waren:
Fazit: länger als üblich, mehr Fallfragen als üblich, dafür weniger Probleme als üblich, die es aber in sich hatten. Alle jedoch waren als eigene Rechtsfrage im Sachverhalt aufgeworfen, zu keinem der drei Rechtskenntnisse von den Bearbeiter*innen zu erwarten. Es kam – wie so oft – auf die richtigen Denk- und Arbeitsmethoden an. Unscheinbarer Vorteil: Alle im Saal sind etwas aufgeschmissen, während du einfach die Ruhe selbst bleibst. Als durchschnittlich schwierige Klausur einzuordnen.
2. ZIVILRECHT II
Schauen wir uns als Nächstes die Klausur Zivilrecht II an.
Die Eckdaten:
Die sechs Rechtsprobleme, vor die die Kandidat*innen gestellt waren:
Fazit: ungewöhnlich kurzer Sachverhalt (oft tückisch), weniger Fälle, wohl daher auch weniger Fallfragen als üblich. Vollgepackt mit Problemen, von denen die Hälfte eher gängig ist (Entbehrlichkeit der Fristsetzung; nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis; § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog), die andere Hälfte 90 % der Kandidat*innen unbekannt. Zwei der sechs Probleme kreisen um § 906 BGB, der ehrlicherweise zum absoluten Standard von Examenskandidat*innen zählen sollte. Selbst wenn ich nur 72 Stunden Examensvorbereitung betreiben würde, hätte ich diese Norm auf dem Zettel. Insofern als durchschnittlich schwierige Klausur einzuordnen.
3. ZIVILRECHT III
Beenden wir das Kapitel mit der Klausur Zivilrecht III.
Die Eckdaten:
Die vier Rechtsprobleme, vor die die Kandidat*innen gestellt waren:
Fazit: überaus typische Zivilrechtsklausur. Das Problem rund um die Herstellerklausel im Rahmen von § 950 Abs. 1 S. 1 BGB war deutlich im Sachverhalt angelegt. Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft sollte Bearbeiter*innen bekannt sein. Bei den letzten beiden Problemen waren wiederum keine Rechtskenntnisse zu erwarten; Ausführungen, die schon etwas in die Tiefe gingen, waren entsprechend zu honorieren. Als durchschnittlich schwierige Klausur einzuordnen.
4. SCHNITT FÜR DAS ZIVILRECHT
… und so sieht der Schnitt für die drei Zivilrechtsklausuren dieses Durchgangs aus:
II. ÖFFENTLICHES RECHT
1. ÖFFENTLICHES RECHT I
Wenden wir uns nun der Klausur Öffentliches Recht I zu.
Die Eckdaten:
Die fünf Rechtsprobleme, vor die die Kandidat*innen gestellt waren:
Fazit: Der Umfang dieser Klausur deckt sich mit dem, was wir aus der Zeit vor Corona kennen. Allerdings sind die Probleme des Falles allesamt ungewohnt anspruchsvoll. Andererseits bietet der Sachverhalt viele gute Anhaltspunkte, die für die eigene Argumentation genutzt werden können, etwa:
»Jedenfalls müsse die Versorgung mit zum Suizid geeigneten Betäubungsmitteln verfassungskonform der ›notwendigen medizinischen Versorgung‹ i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG zugerechnet werden. B weist zutreffend darauf hin, dass den Gesetzgebungsmaterialien zu § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG nicht eindeutig zu entnehmen sei, dass der Gesetzgeber eine betäubungsmittelrechtliche Erwerbserlaubnis zum Zwecke der Selbsttötung ohne jede Ausnahme ausschließen wollte.«
Dennoch als eher schwierige Klausur einzuordnen.
2. ÖFFENTLICHES RECHT II
Fahren wir fort mit der Klausur Öffentliches Recht II.
Die Eckdaten:
Die sechs Rechtsprobleme, vor die die Kandidat*innen gestellt waren:
Fazit: etwas umfangreicher als üblich und außerdem problembeladen. Sicher eine dieser Klausuren, die geeignet ist, den persönlichen Schnitt herunterzuziehen. Wem aber die Verhältnismäßigkeitsprüfung gelang, hatte gute Karten, exzellent abzuschneiden. Mit entsprechender Begründung – wie es so schön heißt – war in dieser Klausur nahezu alles vertretbar, umfassendes Wissen so gut wie nirgends vorausgesetzt. Gerade wegen der tiefergehenden staatsorganisationsrechtlichen Fragen jedoch m. E. als sehr schwierig einzuordnen.
3. SCHNITT FÜR DAS ÖFFENTLICHE RECHT
… und so sieht der Schnitt für die beiden Klausuren aus dem Öffentlichen Recht dieses Durchgangs aus:
III. STRAFRECHT
Schließen wir mit der Strafrechtsklausur.
Die Eckdaten:
Die elf Rechtsprobleme, vor die die Kandidat*innen gestellt waren:
Fazit: von ihrem äußeren Erscheinungsbild eine ganz normale Klausur. Die große Schwierigkeit bestand darin, sie zu Ende zu bringen und dabei auch noch einen Großteil der aufgeworfenen Rechtsfragen zu beantworten. Weniger als die Hälfte davon gehören zum Standardrepertoire von Klausurersteller*innen, wohl aber Raub/ räuberische Erpressung, Pervertierung eines Straßenverkehrsvorgangs, Irrtum über den Kausalverlauf und lebensgefährdende Behandlung. Die Anforderungen an eine gute Bewertung (nicht im technischen Sinne) dürften daher nicht allzu hoch gewesen sein, weil das Lösen eines unbekannten Problems immer Zeit benötigt, die in Strafrechtsklausuren erfahrungsgemäß rar ist. Wegen der Menge an Problemen fast schon aberwitzig und somit als sehr schwierige Klausur einzuordnen.
IV. SCHNITT ALLER KLAUSUR AUS FEBRUAR/ MÄRZ 2021
… und so sieht der Schnitt für alle Klausuren dieses Durchgangs aus:
V. SCHLUSSFOLGERUNGEN
Die Klausuren im Examen sind seit Ausbruch der Coronapandemie zumindest nicht umfangreicher geworden. Zwei Fälle mit je einer Fallfrage auf drei Seiten Sachverhalt entsprechen dem, was ich seit Jahren beobachte. Durchschnittlich sechs (statt fünf) Rechtsprobleme pro Klausur sind natürlich besorgniserregend; allerdings dürfen wir dabei nicht vergessen, dass die Strafrechtsklausur das Bild mit ihren elf Problemen verfälscht, sodass ich auch hier nicht von einer Überraschung sprechen würde. Der Durchgang beweist einmal mehr: Du benötigst Skills und Know-how; Rechtskenntnisse sind überschätzt.
Es ist unmöglich, den gesamten examensrelevanten Stoff zu lernen, da er sich faktisch nicht eingrenzen lässt. Du kannst dir lediglich einen Überblick über gängige Rechtsprobleme verschaffen, die – das zeigt der hier besprochene Durchgang eindrücklich – nur einen Bruchteil derer ausmachen, die sich dir in Klausuren potenziell stellen können. Du benötigst Skills und Know-how, die dich in die Lage versetzen, auch mit dir bis dato unbekanntem methodisch sauber umzugehen. Das setzt voraus, dass du die gesetzliche Systematik der wesentlichen Rechtsnormen verinnerlicht hast und mit den wichtigsten ungeregelten Instituten umzugehen weißt.
Mein Ziel mit endlich jura. ist es, allen Studierenden eine Examensvorbereitung in Rekordzeit zu ermöglichen, ohne endlos Schemata, Streits und Definitionen auswendig lernen zu müssen. So kann ich dir helfen:
50% Complete
Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipiscing elit, sed do eiusmod tempor incididunt ut labore et dolore magna aliqua.